Als die Mieter*innen in Mariendorf-Ost kurz vor Weihnachten 2023 ihre Heizkostenabrechnungen erhielten, trauten sie ihren Augen kaum: Die Deutsche Wohnen verlangte von vielen von ihnen horrende Nachzahlungen von mehr als 4.000 Euro, in einem Fall sogar mehr als 6.000 Euro. Bei einer Mieterin im Dardanellenweg hatten sich die Kosten im Vergleich zum Vorjahr mehr als versiebenfacht – obwohl sie 15 Prozent weniger geheizt hatte.
Doch diesen „Heizkosten-Wahnsinn“ wollten die Mieter*innen nicht einfach hinnehmen. Mithilfe der „Mieterinitiative Mariendorf-Ost“ (MiMO), die durch das Kiezprojekt unterstützt wird, haben sie sich organisiert. In kürzester Zeit wurden zahlreiche Haustürgespräche geführt, Versammlungen organisiert und die Nachbarschaft für einen Kollektivwiderspruch mobilisiert. Am 13. Januar 2023 veranstaltete die MiMO außerdem eine Protest-Kundgebung am Tempelhofer Damm, gemeinsam mit anderen Mietinitiativen, die mit ähnlichen Problemen mit Deutsche Wohnen und Vonovia wegen der Heizkosten zu kämpfen haben.
Deutsche Wohnen gibt „Fehler“ zu
Der Protest zeigte schnell erste Wirkungen. Nach einer Welle von Medienberichten musste die Deutsche Wohnen eingestehen, viel zu hohe Heizkostenabrechnungen verschickt zu haben: Der mit den Abrechnungen beauftragte Dienstleister, die G+E Getec Holding GmbH, habe fehlerhaft gearbeitet. Für einen Teil der Siedlung in Mariendorf-Ost, die insgesamt rund 1.500 Wohnungen umfasst, wurden danach die Abrechnungen um rund 800.000 Euro nach unten korrigiert – ein erster Erfolg! Andere Teile der Siedlung warten bis heute vergeblich auf eine Korrektur ihrer Abrechnungen.
Die Wärmerechnungen, die die Mieter*innen in Mariendorf-Ost erhalten haben, kommen von der G+D: einem Joint Venture von Getec und der Deutsche Wohnen, an dem die mit Deutsche Wohnen fusionierte Vonovia 49 Prozent der Anteile hält. Im Klartext bedeutet das: Der Mutterkonzern Vonovia verdient an den „Fehlern“ der Deutsche Wohnen mit. Die MiMO und andere Miet-Initiativen kritisieren deshalb, dass der Immobilienkonzern mutmaßlich illegale Extragewinnen auf Kosten der Mieter*innen durch explodierende Heizkosten mache. Denn mittlerweile musste die Deutsche Wohnen auch in anderen Wohnsiedlungen ähnliche Abrechnungsfehler zugeben, u.a. in der Eisenbahnsiedlung Baumschulenweg und am Bürgipfad in Lichterfelde – dies geschah erst, nachdem Miet-Initiativen dort ebenfalls protestiert hatten. Die den hohen Abrechnungen zugrunde liegende Praxis des „Wärmecontractings“ ist mittlerweile auch Gegenstand einer Correctiv-Recherche – sie wird dort von Branchen-Insidern als „legaler Betrug“ bezeichnet.

Aktive der Mieterinitiative Mariendorf-Ost bei der Mietendemo im Juni 2024
„Heizkostenstreik“ gegen überzogene Nachforderungen
Aufgrund der fehlenden Transparenz und den aus ihrer Sicht überzogenen Nachforderungen haben sich in Mariendorf-Ost über 600 Nachbar*innen einem sogenannten „Heizkostenstreik“ angeschlossen: Sie haben gemeinsam Widerspruch gegen die Abrechnungen eingelegt und Einsicht in die vollständigen Belege zu den Heizkosten gefordert. Der Großteil der Mieter*innen nutzt das sogenannte „Zurückbehaltungsrecht“ und zahlt die Nachforderungen so lange nicht, bis der Vermieter die vollständigen Belege vorgelegt hat. Vonovia hat mitttlerweile mit der Übersendung von 4.700 Seiten Belegen und Verträgen reagiert. Diese seien jedoch „fehlerhaft und unvollständig“, sagen die Mieter*innen, haben deshalb erneut Widerspruch eingelegt und behalten die Nachforderungen weiterhin zurück. „Wir kämpfen unaufhaltsam weiter“, so Ruth Carcassonne, Sprecherin der MiMO.